Grundsätze für die Prüfung der Verfassungstreue
von Bewerberinnen und Bewerbern für den öffentlichen Dienst
RV d. JM vom 25. Februar 2013 (2010 - Z. 109)

A.

Nachstehend werden die durch die Landesregierung am 18. Dezember 1979 beschlossen und zum 1. Januar 1980 in Kraft gesetzten "Grundsätze für die Prüfung der Verfassungstreue von Bewerberinnen und Bewerbern für den öffentlichen Dienst" nach redaktioneller Überarbeitung neu bekannt gegeben.

I.

Der freiheitliche Rechtsstaat geht von der Verfassungstreue seiner Bürgerinnen und Bürger aus.

II.

In das Beamten-(Richter-)verhältnis darf nur berufen werden, wer die Gewähr dafür bietet, dass sie oder er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes eintritt (§ 7 Abs. 1 Nr. 2 BeamtStG, § 9 Nr. 2 DRiG). Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen sich durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen (§ 3 Abs. 1 S. 2 TV-L).

Die Angehörigen des öffentlichen Dienstes bekräftigen ihre Pflicht zur Verfassungstreue mit ihrer Eidesleistung bzw. ihrem Gelöbnis.

III.

Die Feststellung, ob die Bewerberin oder der Bewerber neben den sonst geforderten auch diese Eignungsvoraussetzung erfüllt, treffen die Einstellungsbehörden unter Beachtung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Mai 1975 - 2 BvL 13/73 - und unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles.

IV.

Bei der Feststellung, ob eine Bewerberin oder ein Bewerber die für die Einstellung in den öffentlichen Dienst erforderliche Gewähr der Verfassungstreue bietet, sind in der Landesverwaltung einheitlich folgende Grundsätze anzuwenden:

1
Bei der Entscheidung, ob bei der Verfassungsschutzbehörde angefragt wird, gilt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit:

1.1
Anfragen dürfen nicht routinemäßig erfolgen.

1.2
Anfragen erfolgen nicht, wenn die Bewerberin oder der Bewerber das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat.

1.3
Anfragen erfolgen nicht bei Bewerberinnen und Bewerbern für einen Vorbereitungsdienst, der Voraussetzung für die Ausübung eines Berufes auch außerhalb des öffentlichen Dienstes ist (z. B. Lehrer- und Juristenausbildung).

1.4
Anfragen erfolgen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte darauf hindeuten, dass die Bewerberin oder der Bewerber nicht die Voraussetzung für die Einstellung in den öffentlichen Dienst erfüllt. Die Anhaltspunkte sind in der Anfrage anzugeben.

1.4.1
Anhaltspunkte i. S. dieser Vorschrift können insbesondere gewonnen werden
- in der Probezeit,
- im Vorbereitungsdienst,
- im Einstellungsverfahren.

1.4.2
Im Einstellungsverfahren finden grundsätzlich Einstellungsgespräche statt. Dabei sind die Bewerberinnen und Bewerber über die Pflicht zur Verfassungstreue gem. Anlage zu belehren. Die Bewerberinnen und Bewerber haben über ihre Verfassungstreue folgende Erklärung abzugeben:

"Ich bin über meine Pflicht zur Verfassungstreue und darüber belehrt worden, dass die Teilnahme an Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder gegen ihre grundlegenden Prinzipien gerichtet sind, mit den Pflichten einer Angehörigen oder eines Angehörigen des öffentlichen Dienstes unvereinbar ist. Auf Grund der mir erteilten Belehrung erkläre ich hiermit, dass ich meine Pflicht zur Verfassungstreue stets erfüllen werde, dass ich die Grundsätze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bejahe und dass ich bereit bin, mich jederzeit durch mein gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu bekennen und für deren Erhaltung einzutreten.

Ich versichere ausdrücklich, dass ich in keiner Weise Bestrebungen unterstütze, deren Ziele gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder gegen eines ihrer grundlegenden Prinzipien gerichtet sind.

Ich bin mir bewusst, dass beim Verschweigen einer solchen Unterstützung die Ernennung/der Abschluss des Arbeitsvertrages als durch arglistige Täuschung herbeigeführt angesehen wird; Arglistige Täuschung führt zur Zurücknahme der Ernennung/Anfechtung des Arbeitsvertrages."

1.4.3
Soweit den Umständen nach ein Einstellungsgespräch nicht in Betracht kommt, sind Belehrung und Erklärung im Rahmen des schriftlichen Einstellungsverfahrens vorzusehen.

1.4.4
Lehnt eine Bewerberin oder ein Bewerber die Abgabe der vorgesehenen Erklärung über seine Verfassungstreue ab oder ergeben sich im Einstellungsverfahren - insbesondere im Einstellungsgespräch - sonstige Bedenken hinsichtlich der Verfassungstreue der Bewerberin oder des Bewerbers, so ist zur Einleitung der Einzelfallprüfung die Anfrage durchzuführen.

1.5
Anfragen dürfen nur erfolgen, wenn eine Einstellung tatsächlich beabsichtigt und die Verfassungstreue nur noch die letzte zu prüfende Einstellungsvoraussetzung ist.

2
Für die Mitteilung von Erkenntnissen auf Grund von Anfragen der Einstellungsbehörden ist zu beachten:

2.1
Den Einstellungsbehörden dürfen nur solche Tatsachen mitgeteilt werden, die Zweifel an der Verfassungstreue einer Bewerberin oder eines Bewerbers gerichtsverwertbar begründen können.

2.2
Erkenntnisse des Verfassungsschutzes, die Tätigkeiten vor der Vollendung des 18. Lebensjahres betreffen und Erkenntnisse über abgeschlossene Tatbestände, die mehr als 2 Jahre zurückliegen, dürfen nicht weitergegeben werden, es sei denn, die Weitergabe ist im Hinblick auf das besondere Gewicht der Erkenntnisse nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geboten.

2.3
Erkenntnisse, die unter eine gesetzlich geregelte Schweigepflicht fallen, dürfen nicht weitergegeben werden.

3
Das Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen teilt der anfragenden Einstellungsbehörde und der zuständigen obersten Dienstbehörde Erkenntnisse nach Ziffer 2 unverzüglich mit.

4
Die Einstellungsbehörden des Landes sind verpflichtet, Bedenken, die gegen die Einstellung einer Bewerberin oder eines Bewerbers sprechen, und die dafür erheblichen Tatsachen der Bewerberin oder dem Bewerber schriftlich mitzuteilen.

5
Die Bewerberin oder der Bewerber hat das Recht, sich hierzu zu äußern.

6
Findet ein Anhörungsgespräch statt, ist ein Protokoll zu führen. Der Bewerberin oder dem Bewerber ist auf Antrag Einsicht zu gewähren.

7
Die Mitwirkung eines Rechtsbeistandes ist auf Antrag der Bewerberin oder des Bewerbers zu gestatten. Sie ist auf die Beratung der Bewerberin oder des Bewerbers und auf Verfahrensfragen zu beschränken.

8
Die Entscheidung über die Einstellung oder Ablehnung von Bewerberinnen und Bewerbern, deren Verfassungstreue die Einstellungsbehörde nicht für gewährleistet hält, trifft die oberste Dienstbehörde im Einvernehmen mit dem Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen.

9
Ablehnende Entscheidungen dürfen nur auf gerichtsverwertbare Tatsachen gestützt werden.

10
Der Bewerberin oder dem Bewerber ist die Ablehnungsbegründung unter Angabe der hierfür maßgeblichen Tatsachen, jedenfalls auf ihren oder seinen Antrag hin, schriftlich mitzuteilen. Der Bescheid erhält eine Rechtsmittelbelehrung.

11
Erkenntnisse, die von den Verfassungsschutzbehörden nicht an die Einstellungsbehörde weitergegeben werden dürfen (Ziff. 2.2, 2.3), dürfen von ihr auch dann nicht verwertet werden, wenn sie ihr von anderer Seite mitgeteilt worden sind.

12
Wenn eine Einstellung trotz vorliegender Erkenntnisse des Verfassungsschutzes erfolgt ist, müssen alle Unterlagen über die Durchführung des Überprüfungsverfahrens aus den Personalakten entfernt werden.

V.

Die Richtlinien für die Sicherheitsüberprüfung von Landesbediensteten bleiben unberührt.

B.

Zur Anwendung der Grundsätze im Geschäftsbereich der Justizverwaltung wird ergänzend bestimmt: 
 
1.
Über Verfahren nach IV Nr. 1.4 und Nr. 1.4.1 der Grundsätze bitte ich zu berichten.
 
2.
Zur Vorbereitung von Entscheidungen nach IV Nr. 8 bis Nr. 11 der Grundsätze bitte ich um einen zur Weitergabe an das Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen geeigneten Bericht.


C.

Diese RV tritt mit sofortiger Wirkung in Kraft. Die RV vom 3. März 1980 (2010 - I B. 109) wird aufgehoben.