Justizverwaltungsvorschriften
Richtlinien für die Einführungszeit juristischer Nachwuchskräfte der Laufbahn des Vollzugs- und Verwaltungsdienstes in der Laufbahngruppe 2, zweites Einstiegsamt, im Justizvollzug des Landes Nordrhein-Westfalen
RV d. JM vom 29. September 2024 (2410 - IV. 13 Sdb. Richtlinien VVD 2.2)
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Einstellung
Bei den Justizvollzugsanstalten des Landes Nordrhein-Westfalen werden juristische Nachwuchskräfte nach erfolgreich durchlaufenem Auswahlverfahren im Vollzugs- und Verwaltungsdienst in der Ämtergruppe des zweiten Einstiegsamtes der Laufbahngruppe 2 eingestellt. Einstellungsbehörde ist das Ministerium der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen. Mit der Einstellung erfolgt die Ernennung zur Regierungsrätin oder zum Regierungsrat im Beamtenverhältnis auf Probe. Im Falle einer Versetzung und bei Vorliegen der beamtenrechtlichen Voraussetzungen erfolgt die Einstellung durch Fortführung des Beamtenverhältnisses im jeweiligen Statusamt.
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Einführungszeit
Die Einführungszeit erstreckt sich in der Regel über einen Zeitraum von vier Jahren.
In der Einführungszeit werden die juristischen Nachwuchskräfte auf ihre künftigen Aufgaben in der Vollzugsabteilungsleitung und auf die spätere Übernahme von Aufgaben in der ständigen Vertretung einer Anstaltsleitung und in der Anstaltsleitung und vorbereitet. Zu diesem Zweck sind die neuen Kräfte frühzeitig in das originäre Behördenleitungsgeschäft einzubeziehen.
Mit Aufnahme ihrer Tätigkeit im nordrhein-westfälischen Justizvollzug wird ihnen eine Auswahl maßgeblicher Vorschriften des Justizvollzugs zur Verfügung gestellt. In den Beschäftigungsbehörden lernen die neuen Kräfte den Aufbau, die Organisation und das Aufgabenspektrum einer Justizvollzugsanstalt sowie die rechtlichen, sozialen, wirtschaftlichen und vollzugspraktischen Aspekte der Tätigkeit im Justizvollzug kennen. Dabei werden ihnen die für die Aufgabenwahrnehmung in der Vollzugsabteilungsleitung erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten umfassend vermittelt.
Darüber hinaus erwerben sie die erforderlichen Führungskompetenzen. Hierdurch werden die juristischen Nachwuchskräfte in die Lage versetzt, die ihnen übertragenen Aufgaben zunehmend selbstständig und verantwortungsbewusst wahrzunehmen und selbst Führungsverantwortung zu übernehmen.
Zur fachlichen Unterstützung und Beratung wird den einzuarbeitenden Kräften in der Einführungszeit eine geeignete Ansprechpartnerin bzw. ein geeigneter Ansprechpartner des Vollzugs- und Verwaltungsdienstes der Laufbahngruppe 2.2 zugeordnet, die bzw. der bereits über mehrjährige Vollzugserfahrung verfügt.
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Stationen der Einführungszeit
Die juristischen Nachwuchskräfte werden während der Einführungszeit auf mehreren Dienstposten eingesetzt. Es sind regelmäßig folgende Verwendungen vorgesehen:
- Einsatz in mindestens zwei Justizvollzugsanstalten mit möglichst unterschiedlichen Haftformen oder vollzuglichen Schwerpunkten (Ziffer 4),
- Einsatz im Ministerium der Justiz (Ziffer 5) und
- Einsatz in besonderer Verwendung (Ziffer 6).
Der Zeitpunkt eines Dienstpostenwechsels und die sich anschließende Verwendung werden vom Ministerium der Justiz nach Abstimmung mit den Betroffenen und den beteiligten Behördenleitungen festgelegt. Dabei sind dienstliche Belange im Rahmen des Möglichen mit Interessenschwerpunkten und Wünschen der Betroffenen in Einklang zu bringen. Die Regelungen zur personalvertretungsrechtlichen Beteiligung bleiben unberührt.
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Einsatz in den Justizvollzugsanstalten
Mit der Einstellung oder Übernahme wird den juristischen Nachwuchskräften eine Justizvollzugsanstalt als Stammdienstelle zugewiesen. In der Stammdienststelle sind die juristischen Nachwuchskräfte in der Regel ein Jahr und sechs Monate tätig und werden umfassend eingearbeitet. In den ersten sechs Monaten sollen die juristischen Nachwuchskräfte befähigt werden, selbstständig die Aufgaben in der Vollzugsabteilungsleitung zu übernehmen. Für die Übertragung von Aufgaben im Wege des Mandats gilt die Mandatierungs-RV (RV des JM vom 2. September 2021 (4402 - IV. 88)) in der jeweils gültigen Fassung.
Während des Einsatzes der juristischen Nachwuchskräfte in einer weiteren Justizvollzugsanstalt, der regelmäßig ein Jahr nicht unterschreiten soll, werden die erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten vertieft und erweitert. Der Einsatz erfolgt nach Möglichkeit in einer Justizvollzugsanstalt, die sich im Hinblick auf die vollzuglichen Schwerpunkte von der Stammdienststelle unterscheidet.
Soweit die juristischen Nachwuchskräfte nicht bereits einer offenen Justizvollzugsanstalt als Stammdienststelle zugeordnet sind, ist regelmäßig eine mindestens zweiwöchige Hospitation in einer Einrichtung des offenen Vollzugs während der ersten zwölf Monate nach der Einstellung vorgesehen. Durch die Hospitation im offenen Vollzug erhalten die juristischen Nachwuchskräfte erste Einblicke in diese Vollzugsform und die Rahmenbedingungen, werden sensibilisiert für deren Möglichkeiten und vertiefen die erforderlichen Kenntnisse zur Qualitätssicherung bei Entscheidungen über vollzugsöffnende Maßnahmen.
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Einsatz im Ministerium der Justiz
Während einer Abordnung an das Ministerium der Justiz, die zwei Monate nicht unterschreiten soll, erhalten die juristischen Nachwuchskräfte Einblicke in die Aufgaben und die Arbeitsweise einer obersten Landesbehörde und der verschiedenen Referate der Justizvollzugsabteilung. Sie werden einer verantwortlichen Referatsleiterin oder einem verantwortlichen Referatsleiter zugewiesen und wirken bei der Wahrnehmung der verschiedenen aufsichtsbehördlichen Aufgaben mit. Durch Teilnahme an Dienstbesprechungen und fachbezogenen Veranstaltungen sowie durch die Einbeziehung in den Austausch mit anderen Referaten, Abteilungen, Dienststellen und politischen Gremien (z. B. Rechtsausschuss) erhalten sie einen Überblick über die Verwaltungsstrukturen sowie -abläufe und knüpfen Kontakte zu den Fachvorgesetzten. Die Tätigkeit im Ministerium der Justiz dient insbesondere der Vorbereitung für die spätere Übernahme von Aufgaben in einer Anstaltsleitung.
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Einsatz in besonderer Verwendung
Im Rahmen des Einsatzes in besonderer Verwendung werden die juristischen Nachwuchskräfte befähigt, auch in behördenübergreifenden Angelegenheiten gestaltend, koordinierend oder steuernd tätig zu werden.
Die Verwendung erfolgt insbesondere
- in lehrender Tätigkeit bei der Justizvollzugsschule Nordrhein-Westfalen in Wuppertal mit Nebenstelle in Hamm oder bei der Fachhochschule für Rechtspflege Nordrhein-Westfalen in Bad Münstereifel,
- durch die Mitwirkung in behördenübergreifenden bzw. landesweiten Projekten und Arbeitsgruppen oder
- in der Zentralstelle für Rechts- und Schadensangelegenheiten im Justizvollzug des Landes Nordrhein-Westfalen.
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Personalgespräche
Zum Austausch über den Stand der Einarbeitung führt die Anstaltsleitung mit den juristischen Nachwuchskräften regelmäßige, auch anlassunabhängige Personalgespräche.
In der Regel ein Jahr nach der Einstellung findet ein Personalgespräch im Ministerium der Justiz statt (Ein-Jahres-Gespräch). Unter Einbeziehung des Inhalts der zuvor gemäß Ziffer 3.1.1 der Beurteilungs-AV (AV des JM vom 1. Februar 2013 (2000 – Z. 155)) in der jeweils gültigen Fassung gefertigten ersten Beurteilung in der laufbahnrechtlichen Probezeit wird eine Bilanz zur bisherigen Einarbeitungsphase gezogen. Die juristischen Nachwuchskräfte erhalten Gelegenheit, ihre Erfahrungen und Eindrücke zu schildern. Gemeinsam werden Perspektiven für den Fortgang der Einführungszeit, insbesondere für die weiteren Stationen, erörtert. Das Gespräch wird in der oberbehördlichen Personalakte vermerkt.
Neben dem Ein-Jahres-Gespräch werden den juristischen Nachwuchskräften weitere Personalgespräche angeboten anlässlich anstehender Wechsel der Beschäftigungsbehörde sowie im Rahmen der regelmäßigen Besuche der Abteilungsleitung und der Gruppenleitungen der Justizvollzugsabteilung des Ministeriums der Justiz in den Justizvollzugsanstalten.
Zudem können die juristischen Nachwuchskräfte jederzeit eigenständig einen Gesprächswunsch an die Anstaltsleitung sowie an die zuständigen Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner des Ministeriums der Justiz richten.
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Fortbildung und Austausch
In regelmäßigen Dienstbesprechungen werden den juristischen Nachwuchskräften während der Einführungszeit Kenntnisse über solche Regelungen und landespolitisch bedeutsame Ziele vermittelt, die für eine sachgerechte Aufgabenwahrnehmung erforderlich sind.
Inhalte dieser Dienstbesprechungen sind insbesondere:
- organisatorische und rechtliche Grundlagen des Verwaltungshandelns (z. B. Aufbau und Organisation des nordrhein-westfälischen Justizvollzugs, Verfügungstechnik),
- Strafvollzugsrecht,
- Disziplinarrecht,
- Aufgabenwahrnehmung in der Vollzugsabteilungsleitung,
- Umgang mit besonderen Vorkommnissen,
- Presse- und Öffentlichkeitsarbeit,
- Kommunikation und Führung,
- neue Entwicklungen im Justizvollzug.
Eine erste Dienstbesprechung ist in engem zeitlichen Zusammenhang zur Einstellung vorgesehen. Als weitere Veranstaltung richtet das Ministerium der Justiz in der Justizakademie Nordrhein-Westfalen jährlich ein jahrgangsübergreifendes Netzwerktreffen für juristische Nachwuchskräfte aus.
Die Dienstbesprechungen dienen der Fortbildung und landesweiten Vernetzung der juristischen Nachwuchskräfte untereinander und dem regelmäßigen Kontakt und Austausch mit den zuständigen Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartnern des Ministeriums der Justiz. Die Teilnahme an diesen Dienstbesprechungen ist für den Adressatenkreis verbindlich.
Neben diesen Dienstbesprechungen besteht für die juristischen Nachwuchskräfte die Möglichkeit, im Rahmen der vorhandenen Kapazitäten an Supervisionsmaßnahmen für angehende Führungskräfte und an weiteren einschlägigen Fortbildungsveranstaltungen teilzunehmen. Während der Einführungszeit soll insoweit auch mindestens eine Modulfortbildung zu Personalführungsthemen absolviert werden.
In der Einführungszeit sollen die juristischen Nachwuchskräfte zudem die Gelegenheit nutzen, selbstständig die Beschäftigungsbehörden anderer Nachwuchskräfte zu besuchen. Diese wechselseitigen Anstaltsbesuche ermöglichen den beteiligten Kräften, neben den eigenen Beschäftigungsbehörden in kurzer Zeit eine Vielzahl weiterer Justizvollzugsanstalten kennenzulernen und mit den dortigen Anstaltsleitungen in Kontakt zu treten. Zudem bieten sie Gelegenheit zur Fortsetzung und Vertiefung des regelmäßigen Erfahrungsaustauschs.
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Übernahme von Aufgaben in der Anstaltsleitung
Freie Stellen für die ständige Vertretung einer Anstaltsleitung und für die Leitung einer Justizvollzugsanstalt werden zur Nachbesetzung grundsätzlich ausgeschrieben und unter Berücksichtigung des Artikels 33 Absatz 2 des Grundgesetzes nach dem Prinzip der Bestenauslese besetzt. Die Übernahme einer Anstaltsleitung setzt regelmäßig mehrjährige praktische Vollzugserfahrung und Erfahrungen als ständige Vertretung einer Anstaltsleitung voraus.
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Inkrafttreten
Die Rundverfügung tritt am 29. September 2024 in Kraft. Zugleich wird die Rundverfügung d. JM vom 28. März 2023 (2410 - IV. 13) „Richtlinien für die Einführungszeit juristischer Nachwuchskräfte der Laufbahn des Vollzugs- und Verwaltungsdienstes in der Laufbahngruppe 2, zweites Einstiegsamt, im Justizvollzug des Landes Nordrhein-Westfalen“ außer Kraft gesetzt.