Justizverwaltungsvorschriften
Einrichtung einer Zentral- und Ansprechstelle für die Verfolgung von Wirtschafts- und Finanzkriminalität in Nordrhein-Westfalen (ZeFin NRW)
und von
Schwerpunktstaatsanwaltschaften für die Verfolgung
von Wirtschafts- und Finanzstrafsachen
AV d. JM vom 19.05.2025
(4054 – III. 2 Sdb. ZeFin)
- JMBl. NRW S. 1066 -
1.
Grundsätzliches
Die entschiedene Bekämpfung von Wirtschafts- bzw. Finanzkriminalität stellt eine bedeutende gesamtgesellschaftliche Aufgabe dar. Straftaten verlagern sich vermehrt in den immer internationaler agierenden Wirtschaftssektor, der aufgrund der Kreativität hochmotivierter Täter und fortlaufend professionalisierter sowie verzahnt handelnder Gruppierungen einen fruchtbaren Nährboden für immer neue Deliktsbereiche und Kriminalitätsphänomene darstellt. Derartige Straftaten bergen aufgrund der ihnen regelmäßig immanenten erheblichen Gesamtschadenssummen, insbesondere auch im fiskalischen Bereich, ein enormes Schadenspotential für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes und die Unternehmen sowie den Staat und die Gesellschaft an sich. Neben beruflichen Vorteilen ist das Hauptmotiv vornehmlich die Erlangung und Sicherung wirtschaftlicher Vorteile. Die Spur zu den an Gewinnmaximierung orientierten Tatverdächtigen führt dementsprechend zunehmend über Finanzströme und Vermögenswerte. Dies erfolgt vielfach Ländergrenzen überschreitend und unter Nutzbarmachung weit vernetzter Beziehungsgeflechte und aufwändig verschleierter Geschäftsstrukturen.
Für die effektive Bekämpfung von Wirtschafts- und Finanzkriminalität ist neben besonderen Kenntnissen des Wirtschaftslebens mithin von essentieller Bedeutung, auch neue Deliktsbereiche und Kriminalitätsphänomene frühzeitig zu erkennen und diesen durch die Erlangung und Weitergabe spezifischen Fachwissens konsequent entgegenzutreten. Wesentliche weitere Bausteine dabei sind profunde Kenntnisse in den Bereichen Finanzermittlungen, Rechtshilfe und (vorläufiger) Vermögensabschöpfung, die es zur Aufklärung der Straftaten frühzeitig und mit konzentriertem Sachverstand mit den übrigen Ermittlungsmaßnahmen zu verbinden gilt.
Um eine noch effektivere Bekämpfung der Wirtschafts- und Finanzkriminalität sowie der Finanzierungsquellen von Organisierter Kriminalität und Terrorismus sicherzustellen, wird eine Zentral- und Ansprechstelle für die Verfolgung von Wirtschafts- und Finanzkriminalität in Nordrhein-Westfalen (ZeFin NRW) eingerichtet, die die bereits seit 1968 bewährten Schwerpunktstaatsanwaltschaften für Wirtschaftskriminalität mit langfristig gebündeltem Fachwissen und zusätzlichen Ressourcen für aufwändige und langwierige Ermittlungen vor Ort ergänzen und landesweit stärken wird.
2.
Begriffsbestimmung
2.1
Verfahren der Wirtschafts- und Finanzkriminalität
Verfahren der Wirtschafts- und Finanzkriminalität im Sinne dieser AV sind Verfahren wegen Straftaten, die nach ihrer Begehungsweise oder wegen des Umfangs des durch sie verursachten Schadens geeignet sind, die wirtschaftliche Ordnung erheblich zu stören oder das Vertrauen der Allgemeinheit auf die Redlichkeit des geschäftlichen Verkehrs oder auf die ordnungsgemäße Arbeit der Behörden und der öffentlichen Einrichtungen zu beeinträchtigen.
Wirtschafts- und Finanzstrafsachen im vorgenannten Sinne können danach insbesondere Straftaten nach § 74c Absatz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) sein. So zum Beispiel wirtschaftsspezifische Betrugsdelikte, wie etwa Kapitalanlage- oder Kreditbetrug, Insiderhandel, Steuerdelikte, Insolvenzdelikte, Wettbewerbsdelikte, Geldwäsche, Subventionsbetrug oder Verstöße gegen das Außenwirtschafts- und das Sanktionsdurchsetzungsgesetz sowie gegen Pflichten auf dem Finanz- und Kapitalmarkt.
2.2
Herausgehobene Verfahren der Wirtschafts- und Finanzkriminalität
Herausgehobene Verfahren der Wirtschafts- und Finanzkriminalität im Sinne dieser AV liegen in der Regel vor, wenn in einem Verfahren besonderen Umfangs aus dem Bereich der Wirtschafts- und Finanzkriminalität zusätzlich einer oder mehrere der nachfolgenden Indikatoren gegeben sind:
• bestehende oder aufgrund der Gesamtumstände des Verfahrens zu erwartende Zuständigkeiten mehrerer Staatsanwaltschaften innerhalb und ggfs. auch außerhalb Nordrhein-Westfalens aufgrund vorwiegend überregionaler Tatbegehungen bzw. einer überwiegend überregionalen Organisationsstruktur und damit gegebenenfalls einhergehender überregionaler Presseberichterstattung,
• eine einzelne Tat oder mehrere Taten innerhalb eines Bezirks einer Staatsanwaltschaft in Nordrhein-Westfalen zeichnet bzw. zeichnen sich aufgrund ihrer Schwere einzeln oder in ihrer Gesamtheit oder wegen der hinter der Tat bzw. Taten stehenden Organisationsstruktur besonders aus,
• im Laufe der Ermittlungen zu erwartende besonders umfassende und komplexe Finanzermittlungen auch im Ausland, ggf. nebst vorläufiger Maßnahmen der Vermögensabschöpfung.
3.
Schwerpunktstaatsanwaltschaften für Wirtschafts- und Finanzkriminalität
Um eine zügige und effektive Bearbeitung besonders umfangreicher Verfahren der Wirtschafts- und Finanzkriminalität sowie solcher Verfahrenskomplexe sicherzustellen, für die mehrere Staatsanwaltschaften örtlich zuständig sind, bleiben die ursprünglich bereits mit der RV d. JM vom 30. März 1968 (4100 – III A.172) bei bestimmten Staatsanwaltschaften eingerichteten Schwerpunkte für die Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen erhalten.
3.1
Bestimmung der Schwerpunktstaatsanwaltschaften
Schwerpunktstaatsanwaltschaften für die Verfolgung von Verfahren der Wirtschafts- und Finanzkriminalität sind demnach in den Bezirken
der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf
die Staatsanwaltschaft Düsseldorf,
der Generalstaatsanwaltschaft Hamm
die Staatsanwaltschaften Bielefeld und Bochum
und der Generalstaatsanwaltschaft Köln
die Staatsanwaltschaft Köln.
3.2
Verfahrensführung durch die Schwerpunktstaatsanwaltschaften
Die Schwerpunktstaatsanwaltschaften gemäß Nummer 3.1 dieser AV sind zuständig für die Bearbeitung von Verfahren der Wirtschafts- und Finanzkriminalität im Sinne von Nummer 2.1 und 2.2 dieser AV
• aus ihrem Bezirk, soweit eine Zuständigkeit der ZeFin NRW nicht begründet ist, und
• aus anderen Bezirken, wenn sie ihnen von der Generalstaatsanwältin bzw. dem Generalstaatsanwalt gemäß § 145 Absatz 1 GVG oder vom Ministerium der Justiz gemäß §§ 147 Nummer 2, 145 Absatz 1 GVG übertragen werden. Notwendige Eilmaßnahmen dürfen durch die Herbeiführung der Entscheidung nicht verzögert werden.
3.3
Organisation der Schwerpunktstaatsanwaltschaften
Die Organisation der in Nummer 3.1 dieser AV zu Schwerpunktstaatsanwaltschaften für die Verfolgung von Wirtschafts- und Finanzstrafsachen benannten Staatsanwaltschaften und die damit verbundene Einrichtung von Abteilungen für Wirtschaftsstrafsachen obliegt nach § 6 Absatz 2 Satz 1 JustG NRW der jeweiligen Behördenleitung mit Zustimmung der Generalstaatsanwaltschaft.
Die Generalstaatsanwältinnen bzw. die Generalstaatsanwälte tragen dabei dafür Sorge, dass die entsprechenden Abteilungen von besonders geeigneten Oberstaatsanwältinnen bzw. Oberstaatsanwälten geleitet und, gegebenenfalls im Wege der Abordnung, mit der erforderlichen Zahl geeigneter Kräfte ausgestattet werden, um sicherzustellen, dass die Sachbearbeitung durch für die Bearbeitung von Verfahren der Wirtschafts- und Finanzkriminalität besonders geeignete Sondersachbearbeiterinnen und Sondersachbearbeiter erfolgt. Deren Bestellung soll stets für einen längeren Zeitraum vorgenommen werden.
Den Schwerpunktstaatsanwaltschaften werden im Rahmen des durch den Haushaltsplan bewilligten Stellenkontingents zusätzliche Stellen der Laufbahngruppe 2.2 und mindestens eine Angestelltenstelle für Wirtschaftsfachleute zugewiesen.
3.4
Verknüpfung der Schwerpunktstaatsanwaltschaften
Die Behördenleitungen der in Nummer 3.1 dieser AV genannten Staatsanwaltschaften stellen jeweils organisatorisch einen Wissens- und Erfahrungsaustausch zwischen den bei ihnen eingerichteten Schwerpunkten bzw. Zentralstellen sicher.
3.5
Abgaben von Verfahren
Die Generalstaatsanwältin bzw. der Generalstaatsanwalt können die den Schwerpunkten nach Nummer 3.2 dieser AV übertragenen Verfahren oder selbstständige Teile davon an die örtlich nach § 143 Absatz 1 GVG zuständige Staatsanwaltschaft abgeben, wenn die Voraussetzungen der Zuweisung entfallen sind. Soweit ein Verfahren an eine Staatsanwaltschaft aus dem Bezirk einer anderen Generalstaatsanwältin bzw. eines anderen Generalstaatsanwalts abgegeben wird, erfolgt die Abgabe über diese bzw. diesen.
Im Übrigen gelten Nummern 4.1.5 bis 4.1.10 dieser AV entsprechend.
3.6
Sonstige Aufgaben der Schwerpunktstaatsanwaltschaften
Die Schwerpunktstaatsanwaltschaften für die Verfolgung der Wirtschafts- und Finanzkriminalität aus den Bezirken der Generalstaatsanwaltschaft Hamm und der Generalstaatsanwaltschaft Köln unterstützen die ZeFin NRW unter Koordinierung durch die Generalstaatsanwältin bzw. den Generalstaatsanwalt ihres Bezirks in vertrauensvoller Zusammenarbeit bei den ihr in Nummern 4.2 und 4.3 dieser AV übertragenen Aufgaben.
3.7
Berichtswesen
Die Generalstaatsanwältinnen bzw. die Generalstaatsanwälte überwachen die zügige Bearbeitung der Wirtschafts- und Finanzstrafsachen in ihrem Bezirk und unterrichten sich laufend über die Belastung der Schwerpunktstaatsanwaltschaften, um eine zügige Bearbeitung der dort geführten Verfahren durch die erforderliche Zahl geeigneter Kräfte zu gewährleisten.
4.
Zentral- und Ansprechstelle für die Verfolgung von Wirtschafts- und Finanzkriminalität in Nordrhein-Westfalen
Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf nimmt die Aufgaben der ZeFin NRW wahr.
Die ZeFin NRW führt in landesweiter Zuständigkeit herausgehobene Verfahren der Wirtschafts- und Finanzkriminalität, die ihr nach Maßgabe von Nummer 4.1.1 dieser AV zugewiesen sind. Ihr obliegt zudem die Wahrnehmung der Aufgaben einer zentralen Ansprechstelle des Landes Nordrhein-Westfalen für die Verfolgung der Wirtschafts- und Finanzkriminalität sowie die Mitwirkung bei regionalen und überregionalen Aus- und Fortbildungsmaßnahmen in diesem Bereich.
Die ZeFin NRW und die ZeOS NRW bilden im Rahmen einer vertrauensvollen Zusammenarbeit die organisatorische Verknüpfung nach Nummer 3.4 dieser AV der bei der Staatsanwaltschaft Düsseldorf eingerichteten Zentralstellen und Schwerpunkte.
4.1
Landesweite Verfahrenszuständigkeiten der ZeFin NRW
4.1.1
Funktionale Zuständigkeit
Der ZeFin NRW sind aus den Bezirken der Generalstaatsanwaltschaften Düsseldorf, Hamm und Köln nach § 143 Absatz 4 GVG die Amtsverrichtungen in herausgehobenen Strafsachen nach Nummer 2.2 übertragen, wenn in Strafsachen der vorbezeichneten Art Anhaltspunkte für über den Bezirk einer Generalstaatsanwaltschaft des Landes hinausreichende, länderübergreifende oder internationale Tatzusammenhänge erkennbar sind und eine zentrale Aufgabenwahrnehmung erforderlich ist, insbesondere weil
a)
die Aufgaben der Strafverfolgung wahrgenommen werden durch
• das Landesamt zur Bekämpfung der Finanzkriminalität Nordrhein-Westfalen (LBF NRW),
• das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen (LKA NRW) oder
• Behörden der Zollverwaltung
und sich diese Behörden aufgrund der besonderen Bedeutung an die ZeFin NRW mit der Bitte um Verfahrensführung wenden, sofern nicht bereits eine andere Staatsanwaltschaft in Nordrhein-Westfalen mit dem Verfahren befasst ist, oder
b)
das Verfahren durch die ressortübergreifende Task Force zur Bekämpfung der Finanzierungsquellen Organisierter Kriminalität und Terrorismus im Rahmen ihrer Aufgaben generiert worden und – sofern eine vorrangige Verfahrensführung durch die ZeOS NRW oder andere Zentralstellen nicht erfolgt – unter Berücksichtigung der Kriterien aus Nummer 2.2 angezeigt ist.
4.1.2
Einzelzuweisung
Die Möglichkeit einer über Nummer 4.1.1 dieser AV hinausgehenden Einzelzuweisung nach §§ 147 Nummer 2, 145 Absatz 1 GVG bleibt unberührt.
4.1.3
Verfahrensabgabe
Die ZeFin NRW kann ihr nach Nummer 4.1.1 dieser AV zugewiesene Verfahren oder selbstständige Teile davon, soweit diese nicht in ihre Zuständigkeit fallen, jederzeit an die örtlich und sachlich zuständige Staatsanwaltschaft abgeben. Nummer 3.2 und die jeweils geltenden Regelungen bezüglich sonstiger Schwerpunktstaatsanwaltschaften bleiben unberührt. Die ZeFin NRW soll von einem Abgabeersuchen dann absehen, wenn sie den Abschluss des Verfahrens ohne größeren Aufwand selbst herbeiführen kann. Selbstständige Teile eines zugewiesenen Verfahrens soll die ZeFin NRW nicht abgeben, wenn hierdurch eine für eine effektive Strafverfolgung erforderliche Ermittlungskoordination gefährdet werden könnte.
Die ZeFin NRW soll auf dem Dienstweg unter Berücksichtigung des Verfahrensumfangs eine Übertragung der Amtsverrichtungen auf eine andere Staatsanwaltschaft anregen, wenn dort mit Blick auf gleichartige Kriminalitätsphänomene oder Verfahrensgegenstände
• eine besondere Expertise namentlich aufgrund einer Vorbefassung vorhanden ist oder
• ein örtlicher Schwerpunkt liegt.
Sofern ein besonderer Verfahrensumfang aus Ressourcengründen eine Übertragung der Amtsverrichtungen nicht erlaubt, ist ein Wissens- und Erfahrungsaustausch sicherzustellen. Im Fall eines Ersuchens um Verfahrensabgabe oder einer Übertragung der Amtsverrichtungen stellt die ZeFin NRW zuvor durch frühzeitige Kontaktaufnahme und Vermittlung des Sach- und Verfahrensstandes eine effektive Fortführung des Verfahrens sicher, ohne dabei die Entscheidung auf dem Dienstweg über die Abgabe und Übernahme bzw. die Zuweisung des Verfahrens vorweg zu nehmen.
4.1.4
Verfahrensübernahme
Liegt einer Staatsanwaltschaft in Nordrhein-Westfalen ein Verfahren der Wirtschafts- und Finanzkriminalität vor, welches nach ihrer Ansicht in die Zuständigkeit der ZeFin NRW im Sinne von Nummer 4.1.1 dieser AV fällt, kann sie das Verfahren nach vorheriger Kontaktaufnahme mit der ZeFin NRW unmittelbar dieser mit der Bitte um Übernahme vorlegen. Liegen die Voraussetzungen für eine Übernahme nicht vor, gibt die ZeFin NRW das Verfahren unter Ablehnung der Übernahme unverzüglich zurück oder leitet das Verfahren an die dann örtlich und sachlich zuständige Staatsanwaltschaft zur Prüfung der Übernahme weiter.
Bei konkurrierenden Sonderzuständigkeiten ist Einvernehmen über die Zuständigkeit für die weitere Verfahrensbearbeitung herzustellen.
Sind unaufschiebbare Ermittlungshandlungen erforderlich, übersendet die örtliche Staatsanwaltschaft die Akten oder wesentliche Aktenbestandteile nach hergestelltem Einvernehmen unverzüglich. Ist dies nicht möglich, wird die örtliche Staatsanwaltschaft tätig oder befasst eine Staatsanwaltschaft, der eine Notzuständigkeit zukommt (§§ 143 Absatz 2 GVG, 21 Strafprozessordnung [StPO]).
4.1.5
Konkurrierende Zuständigkeit der ZAC NRW
Verfahren nach Nummer 4.1.1 dieser AV, bei denen aufgrund der AV d. JM vom 15. März 2016 in der Fassung vom 09. Oktober 2024 (4100 – III. 274) eine konkurrierende Zuständigkeit der Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime Nordrhein-Westfalen (ZAC NRW) begründet ist, führt diese, soweit und solange die Verfolgung (Organisierter) Cyberkriminalität den Verfahrensschwerpunkt bildet. Anderenfalls obliegt die Verfahrensführung der ZeFin NRW. In jedem Fall, der die Aufgabenbereiche beider Zentralstellen berühren kann, wirken diese durch unverzügliche Kontaktaufnahme, vertrauensvolle Zusammenarbeit sowie die Einbringung der jeweiligen fachlichen Expertise auf eine zügige und sachgerechte Verfahrensbearbeitung hin.
4.1.6
Konkurrierende Zuständigkeit der ZenTer NRW
Verfahren nach Nummer 4.1.1 dieser AV, bei denen aufgrund der AV d. JM vom 13. März 2018 (4021 – III. 53) eine konkurrierende Zuständigkeit der Zentralstelle Terrorismusverfolgung (ZenTer NRW) begründet ist, führt diese, soweit und solange die Verfolgung von Straftaten gemäß Nummer 3.1.2 der vorgenannten AV Verfahrensgegenstand ist. Anderenfalls obliegt die Verfahrensführung der ZeFin NRW. In jedem Fall, der die Aufgabenbereiche beider Zentralstellen berühren kann, wirken diese durch unverzügliche Kontaktaufnahme, vertrauensvolle Zusammenarbeit sowie die Einbringung der jeweiligen fachlichen Expertise auf eine zügige und sachgerechte Verfahrensbearbeitung hin.
4.1.7
Konkurrierende Zuständigkeit der ZeOS NRW
Verfahren nach Nummer 4.1.1 dieser AV, bei denen aufgrund der AV d. JM vom 31. August 2020 (4201 - III. 9 Sdb. Schwerpunkte) eine konkurrierende Zuständigkeit der ZeOS NRW begründet ist, führt diese, soweit und solange die Verfolgung Organisierter Kriminalität den Verfahrensschwerpunkt bildet. Anderenfalls obliegt die Verfahrensführung der ZeFin NRW. Indikatoren für eine vorrangige Zuständigkeit der ZeOS NRW können dabei neben dem Tätigwerden einschlägiger Tätergruppierungen insbesondere sein, dass Verfahren nach Nummer 2.2 dieser AV alleine Bezug zu illegalen Märkten und Gütern aufweisen und auch eine mittelbare Beeinträchtigung legaler Märkte ausgeschlossen erscheint. In jedem Fall, der die Aufgabenbereiche beider Zentralstellen berühren kann, wirken diese durch unverzügliche Kontaktaufnahme, vertrauensvolle Zusammenarbeit sowie die Einbringung der jeweiligen fachlichen Expertise auf eine zügige und sachgerechte Verfahrensbearbeitung hin.
4.1.8
Konkurrierende Zuständigkeit der ZeUK NRW
Verfahren nach Nummer 4.1.1 dieser AV, bei denen aufgrund der AV d. JM vom 1. Oktober 2023 (4062 – III. 23) eine konkurrierende Zuständigkeit der Zentralstelle für die Verfolgung der Umweltkriminalität in Nordrhein-Westfalen (ZeUK NRW) begründet ist, führt diese, soweit und solange die Verfolgung der Umweltkriminalität den Verfahrensschwerpunkt bildet. Anderenfalls obliegt die Verfahrensführung der ZeFin NRW. In jedem Fall, der die Aufgabenbereiche beider Zentralstellen berühren kann, wirken diese durch unverzügliche Kontaktaufnahme, vertrauensvolle Zusammenarbeit sowie die Einbringung der jeweiligen fachlichen Expertise auf eine zügige und sachgerechte Verfahrensbearbeitung hin.
4.1.9
Zusammenhangsverfahren und Ordnungswidrigkeiten
Soweit nach den vorgenannten Bestimmungen eine Zuständigkeit der ZeFin NRW begründet ist, umfasst diese auch Straftaten und Ordnungswidrigkeiten, die mit der zuständigkeitsbegründenden Tat eine Tat im prozessualen Sinne nach § 264 StPO bilden.
Die ZeFin NRW kann zudem die Bearbeitung von Straf- oder Bußgeldverfahren übernehmen, die mit der zuständigkeitsbegründenden Tat in einem Zusammenhang im Sinne von § 3 StPO stehen. Eine Abtrennung von Verfahren wegen Zusammenhangstaten und deren Abgabe oder Rückgabe an die nach § 143 Absatz 1GVG örtlich zuständige Staatsanwaltschaft ist der ZeFin NRW auf dem Dienstweg im gegenseitigen Einvernehmen jederzeit möglich. Im Interesse einer zügigen und wirksamen Strafverfolgung soll die ZeFin NRW von dieser Befugnis nur zurückhaltend Gebrauch machen.
Die Zuständigkeit der ZeFin NRW umfasst alle Verfahrensstadien und erstreckt sich auch auf Verfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende. In den von ihr geführten Verfahren nimmt die ZeFin NRW die Aufgaben der Vollstreckungsbehörde wahr (§ 143 Absatz 4 GVG, §§ 451 ff. StPO, §§ 46 und 91 OWiG), soweit nicht die/der Jugendrichter/in als Vollstreckungsleiter zuständig ist. Im Hinblick auf § 77a Absatz 2 Satz 1 StVollStrO bleibt der Erlass vom 25.01.2018 (4100 – III. 274) unberührt.
4.1.10
Örtliche Staatsanwaltschaften und ZeFin NRW
Die ZeFin NRW kann die nach § 143 Absatz 1 GVG örtlich zuständige Staatsanwaltschaft um die Wahrnehmung einzelner Amtshandlungen bitten, wenn der voraussichtlich erforderliche Aufwand dadurch insgesamt wesentlich geringer wird oder die größere Ortsnähe es angebracht erscheinen lässt. Dies gilt auch für die Wahrnehmung des Sitzungsdienstes insbesondere in einfach gelagerten Verfahren, in denen Anklage zur/m Strafrichter/in, Jugendrichter/in oder Jugendschöffengericht erhoben wird oder die Erledigung im Strafbefehlswege erfolgt ist, die/der Angeklagte jedoch Einspruch eingelegt hat. Der Sitzungsdienst in Verfahren, die vor einer großen Strafkammer des Landgerichts geführt werden, obliegt grundsätzlich der ZeFin NRW. Die nach § 143 Absatz 1 GVG örtlich zuständige Staatsanwaltschaft stellt sicher, dass der Sitzungsdienst durch Dezernentinnen und Dezernenten wahrgenommen wird, die die besonderen Anforderungen für die Bearbeitung von Wirtschafts- und Finanzstrafsachen der ZeFin NRW und deren Wahrnehmung vor Gericht erfüllen.
Im Interesse einer zügigen und wirksamen Strafverfolgung soll die ZeFin NRW von den Befugnissen gemäß dieser Nummer nur zurückhaltend Gebrauch machen.
4.1.11
Stichtagregelung
Die vorstehenden Regelungen gelten nicht für Ermittlungsverfahren, mit denen die nach § 143 Absatz 1 GVG zuständige Staatsanwaltschaft vor dem Tag des Inkrafttretens dieser AV befasst war. Eine Abgabe dieser Verfahren an die ZeFin NRW kommt nur im Ausnahmefall, insbesondere, wenn noch keine konkreten (insbesondere verdeckten) Ermittlungsmaßnahmen ergriffen wurden, in Betracht. Die Möglichkeit einer darüberhinausgehenden Einzelzuweisung nach §§ 147 Nummer 2, 145 Absatz 1 GVG bleibt unberührt.
4.2
Die ZeFin NRW als Ansprechstelle
4.2.1
Ansprechpartner
Die ZeFin NRW ist zentrale Ansprechstelle für grundsätzliche, verfahrensunabhängige Fragestellungen aus dem Bereich der Wirtschafts- und Finanzkriminalität für Gerichte, Staatsanwaltschaften, die ressortübergreifende Task Force zur Bekämpfung der Finanzierungsquellen Organisierter Kriminalität und Terrorismusfinanzierung, Polizeibehörden, Finanzbehörden sowie sonstige Behörden Nordrhein-Westfalens, anderer Länder und des Bundes.
Die ZeFin NRW benennt eine feste Ansprechperson für die Wahrnehmung der Aufgaben im Sinne von Nummer 2.2 der RV d. JM vom 28. Dezember 2018 in ihrer jeweils aktuellen Fassung (4000 – III. 155 Sdb. AG Bekämpfung Finanzierung OK und Terrorismus). Die übrigen Zuständigkeiten der Ansprechpartnerinnen bzw. Ansprechpartner der ressortübergreifenden Task Force zur Bekämpfung der Finanzierungsquellen Organisierter Kriminalität und Terrorismusfinanzierung sowie der bei den Staatsanwaltschaften und dem jeweiligen Generalstaatsanwalt bzw. der jeweiligen Generalstaatsanwältin bestellten Ansprechpartnerinnen bzw. Ansprechpartner/OK-Beauftragten sowie Koordinatorinnen bzw. Koordinatoren bleiben hiervon unberührt.
Soweit mit ihrer Aufgabe als Strafverfolgungsbehörde und den staatsanwaltschaftlichen Pflichten – besonders zur Neutralität, Objektivität und Mäßigung – vereinbar, ist die ZeFin NRW Ansprechstelle zu grundsätzlichen Fragestellungen der Wirtschafts- und Finanzkriminalität für sämtliche fachlich betroffenen öffentlichen und privaten Stellen. In diesem Umfang kann sie auch mit Stellen der Wissenschaft und Wirtschaft zusammenarbeiten. Die RV d. JM vom 28. Dezember 2000 (1410 – II C. 1) in der Fassung vom 7. Dezember 2020 (1410 - V. 1) bleibt insoweit unberührt.
Die ZeFin NRW wirkt in entsprechenden fachlichen Gremien im In- und Ausland mit und stimmt sich mit anderen Zentralstellen und Einrichtungen der Justiz im In- und Ausland im Bereich der Wirtschafts- und Finanzkriminalität ab. Soweit Fragen von grundsätzlicher rechtspolitischer Bedeutung berührt sind, handelt sie in Abstimmung mit dem Ministerium der Justiz.
4.2.2
Kriminologische und strategische Beobachtung
Die ZeFin NRW analysiert bestehende und neue Erscheinungsformen von Wirtschafts- und Finanzkriminalität sowie hiermit zusammenhängender Methoden zur Verschleierung und Verschiebung inkriminierter Vermögenswerte. Sie trägt dazu bei, dass derartige Kriminalitätsphänomene frühzeitig erkannt werden, und entwickelt verfahrensübergreifende einheitliche Standards und Strategien zu deren effizienter strafrechtlicher Bekämpfung. Sie kann im Einvernehmen mit dem Ministerium der Justiz und unter Berücksichtigung bereits geführter Statistiken statistische Daten über die Entwicklung der Wirtschafts- und Finanzkriminalität in Nordrhein-Westfalen erheben.
Die ZeFin NRW bündelt staatsanwaltschaftliches Erfahrungswissen im Bereich der Verfolgung von Wirtschafts- und Finanzkriminalität und stellt hierzu einen Erfahrungsaustausch zwischen den Staatsanwaltschaften und den unter Nummer 3.1 dieser AV bestimmten Schwerpunktstaatsanwaltschaften sicher.
4.2.3
Unterstützungsfunktion
Die ZeFin NRW soll andere Staatsanwaltschaften sowie die Gerichte in Nordrhein-Westfalen im Bereich der Verfolgung von Wirtschafts- und Finanzkriminalität beratend unterstützen. Sie kann im Einvernehmen Absprachen zur Förderung von Ermittlungsverfahren, insbesondere zur nachhaltigen Bearbeitung von Struktur- und Sammelverfahren vermitteln.
4.3
Mitwirkung der ZeFin NRW bei Aus- und Fortbildungsmaßnahmen
Die ZeFin NRW bringt ihre Erkenntnisse und die Erfahrungen aus ihrer Ermittlungspraxis in die Aus- und Fortbildung der Justiz in den Bereichen der Verfolgung von Wirtschafts- und Finanzkriminalität ein und unterstützt diese durch geeignete Beiträge.
4.4
Zusammenarbeit mit den Schwerpunktstaatsanwaltschaften für die Verfolgung von Wirtschafts- und Finanzkriminalität
Die ZeFin NRW nimmt die ihr in Nummern 4.2 und 4.3 dieser AV übertragenen Aufgaben in vertrauensvoller Zusammenarbeit mit den unter Nummer 3.1 dieser AV bezeichneten Schwerpunktstaatsanwaltschaften wahr.
4.5
Leitung der ZeFin NRW
Die Leitende Oberstaatsanwältin oder der Leitende Oberstaatsanwalt in Düsseldorf bestellt im Wege der Organisationsentscheidung die Leiterin oder den Leiter der ZeFin NRW im Einvernehmen mit der Generalstaatsanwältin bzw. dem Generalstaatsanwalt in Düsseldorf.
4.6
Berichtswesen
Die ZeFin NRW berichtet dem Ministerium der Justiz jährlich auf dem Dienstweg über ihre Erfahrungen und leitet eine Abschrift des Berichts der Generalstaatsanwältin bzw. dem Generalstaatsanwalt in Hamm und der Generalstaatsanwältin bzw. dem Generalstaatsanwalt in Köln zu.
Darüber hinaus berichtet sie dem Ministerium der Justiz unbeschadet sonstiger Berichtspflichten, sofern
• wesentliche rechtspolitische Fragestellungen berührt sind,
• ein Interesse parlamentarischer Gremien oder überörtlicher Medien zu erwarten steht,
• bedeutsame Kooperationen angestrebt werden oder
• neue Erscheinungsformen der Wirtschafts- und Finanzkriminalität oder tatsächlich bzw. rechtliche Entwicklungen auftreten, die für die Tätigkeit der ZeFin NRW von erheblicher Bedeutung sind.
5.
Schlussbestimmungen
Die Gemeinsamen Richtlinien der Justizminister/-senatoren und der Innenminister/-senatoren der Länder über die Zusammenarbeit bei der Verfolgung der Organisierten Kriminalität vom 13. November 1990 (Gem. RdErl. d. Justizministeriums (4201 - III A.9),d. Innenministeriums (IV A 2 - 2700/2967), d. Finanzministeriums (IN 0991 - 6 - I A 3), d. Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales (III C 5 - 1010.3), d. Ministeriums für Wirtschaft, Mittelstand und Technologie (134 - 42 - 0.4), d. Ministeriums für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft (l A 4 - 98.21.01), d. Ministeriums für Bauen und Wohnen (III A 3 - 0 - 1432 - 30) u. d. Ministeriums für Stadtentwicklung und Verkehr (ZA3 0201/Z A 5 3947) und die RV d. MIJ vom 1. Dezember 1998 (1400 - III A. 17 "A") zur Bearbeitung von Korruptionsstrafsachen bei den Staatsanwaltschaften bleiben unberührt.
Diese AV tritt am Tage nach ihrer Veröffentlichung in Kraft. Zugleich tritt die RV d. JM vom 30. März 1968 (4100 – III A.172) außer Kraft.