Historie :

Entschädigung
für Strafverfolgungsmaßnahmen
AV d. JM vom 5. Juli 2001 (4221 - III A. 12)
- JMBI. NRW S. 177 -
in der Fassung vom 29. Januar 2006


Fassung vor der Änderung durch AV d. JM vom 29. 01.2006

Bezug :
Teil II


1.
Die vorstehende Regelung setze ich für meinen Geschäftsbereich mit Wirkung vom 15. Juli 2001 in Kraft.

2.
Prüfungsstellen im Sinne des Teiles 1 B sind die Generalstaatsanwälte.

3.
a)
Über Entschädigungsansprüche entscheiden die Generalstaatsanwälte im Einzelfall in meinem Namen,

aa)
wenn sie den Anspruch ablehnen,

bb)
wenn sie eine Entschädigung von nicht mehr als 30.000 EURO (Fn 1) zuerkennen und nicht der Generalbundesanwalt in der Strafsache, die der Entschädigung zugrunde liegt, Ermittlungen geführt hat.

b)
Wird der Anspruch ganz oder teilweise abgelehnt (vgl. Teil I B 3 Nr. 2), bitte ich die Rechtsmittelbelehrung wie folgt zu fassen:
Soweit Ihrem Schadensersatzbegehren nicht entsprochen worden ist, können Sie innerhalb von drei Monaten nach Zustellung dieses Bescheides vor dem Landgericht (Dortmund/Düsseldorf/Köln) Klage erheben. Die Klage ist gegen das Land Nordrhein-Westfalen, vertreten durch die Generalstaatsanwältin oder den Generalstaatsanwalt (in Hamm/Düsseldorf/Köln) zu richten. Vor dem Landgerichten besteht Anwaltszwang. Eine Klage kann daher nur durch einen bei einem Amts- oder Landgericht zugelassenen Rechtsanwalt eingereicht werden (Fn 1).

c) (Fn 1)
Im übrigen ist mir zu berichten. Außerdem ist mir abweichend  von a. auch dann zu berichten

aa)
wenn die Rechtslage zweifelhaft ist und von der Entscheidung der Zweifelsfrage ein Entschädigungs-(teil)betrag von nicht unbedeutender Höhe abhängt,

bb)
wenn es sich um eine Angelegenheit von grundsätzlicher Bedeutung handelt, insbesondere sofern Anlass zu Maßnahmen zum Zwecke der Herbeiführung einer einheitlichen Entschädigungspraxis gegeben sein kann.

4.
Die Generalstaatsanwälte berichten mir zum 31. 3. jedes Jahres (zweifach) über die im abgelaufenen Kalenderjahr angeordneten Entschädigungszahlungen einschließlich der Entschädigungszahlungen, die ich angeordnet habe.  In dem Bericht werden Entschädigungszahlungen für Urteilsfolgen (§ 1 StrEG) und für andere Strafverfolgungsmaßnahmen (§ 2 StrEG) unterschieden.  In Jeder Gruppe werden die Zahl der Entschädigungsfälle und die Gesamtsumme der Auszahlungen angegeben.

5.
Berücksichtigung von Gnadenerweisen
Kommt im Hinblick auf eine zu Unrecht erlittene Strafverfolgungsmaßnahme ein Gnadenerweis in einer anderen Sache in Betracht, so setzt die Gnadenbehörde die Generalstaatsanwältin oder (Fn 3) den Generalstaatsanwalt, der über die Entschädigungsansprüche nach §§ 2, 7 ff. StrEG zu entscheiden hat, hiervon umgehend in Kenntnis. Sie unterrichtet die Prüfungsstelle ferner unter Vorlage der Gnadenvorgange über den Ausgang des Gnadenverfahrens.
Die Generalstaatsanwältin oder der (Fn 3) Generalstaatsanwalt prüft noch Abschluss des Gnadenverfahrens, ob mit Rücksicht auf den durch den Gnadenerweis erlangten Vorteil die Entschädigung nach §§ 7 Abs. 1, 3 StrEG ganz oder zum Teil zu versagen ist (Vorteilsausgleichung, Hinweis auf rechtmäßiges Alternativverhalten).  Erforderlichenfalls stellt die Prüfungsstelle ihre (Fn 3) Entscheidung bis zum Abschluss des Gnadenverfahrens zurück, da davon ausgegangen werden muss, dass ein späterer Gnadenerweis nicht zur Begründung des Widerrufs des einmal ergangenen Festsetzungsbescheides § 10 StrEG) herangezogen werden kann.

6.
Die AV´en vom 2. August 1971, 24. Oktober 1979, 21. August 1990, 4. Januar 1995, 7. September 1998 und 20. Oktober 1999 (4221 - III A. 12) sowie die RV vom 22 Mai 1973 (4221 - III A. 12) werden mit Wirkung vom 15. Juli 2001 aufgehoben.
















Fassung vor der Änderung durch AV d. JM vom 22.05.2003

Bezug : II. Prüfung des Entschädigungsanspruchs


1.
Die mit der Prüfung des Anspruchs beauftragte Stelle (Prüfungsstelle) legt für die Prüfung ein Sonderheft an.

2.
Sie prüft, in welcher Höhe der Anspruch des Berechtigten begründet ist. Die Prüfung erstreckt sich auf die Punkte, die nach den Angaben des Berechtigten und nach den einschlägigen gesetzlichen Vorschriften (z.B. §§ 7, 11 StrEG; §§ 249 ff.  BGB) sowie der dazu ergangenen Rechtsprechung erheblich sind.  Das muss anhand der Umstände des Einzelfalles festgestellt werden.  Die nachstehend wiedergegebenen Hinweise für häufiger auftauchende Fragen gelten nur unter dem Vorbehalt, dass die Umstände des Einzelfalles keine andere Behandlung erfordern,

a)
Anhaltspunkte für die Bewertung entgangener Sachleistungen können den Rechtsverordnungen gem. § 17 Abs. 1 Nr. 3 SGB Teil IV entnommen werden.

b)
Ausgaben, die der Berechtigte infolge einer Haft für Unterkunft und Verpflegung erspart hat, werden nur wie folgt angerechnet:

aa)
Sind dem Berechtigten Ausgaben für Verpflegung und Unterkunft erspart geblieben, so wird je Tag ein Betrag in Höhe von 3/4 aus der Summe des Haftkostensatzes für Einzelunterbringung und des Haftkostensatzes für Verpflegung (Frühstück, Mittagessen und Abendessen) angerechnet.

bb)
Sind ihm nur Ausgaben für Verpflegung oder nur Ausgaben für Unterkunft erspart geblieben, so wird je Tag ein Betrag in Höhe von 3/4 des Haftkostensatzes für Verpflegung (Frühstück, Mittagessen und Abendessen) bzw. des Haftkostensatzes für Einzelunterbringung angerechnet.

cc)
Dabei werden der Aufnahme- und der Entlassungstag als ein Tag gerechnet."

c)
Das während einer Haft gewährte Arbeitsentgelt wird auf die Entschädigung angerechnet.

d)
Durch die Strafverfolgungsmaßnahme erlittene rentenversicherungsrechtliche Nachteile werden regelmäßig dadurch ausgeglichen, dass dem Antragsteller nach Maßgabe der Sätze 2 bis 4 der Betrag erstattet wird, der ohne die Strafverfolgungsmaßnahme an Beträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet worden wäre. Hat der Antragsteller freiwillige Beiträge zur Rentenversicherung für Zeiten von Strafverfolgungsmaßnahmen (vgl. § 205 SGB Sechstes Buch) nachgezahlt, so sind ihm die gezahlten Beiträge, höchstens jedoch der in Satz 1 genannten Betrag zu erstatten. Hat er rechtzeitig einen Antrag auf Nachzahlung freiwilliger Beiträge gestellt, die Beiträge aber noch nicht an den Rentenversicherungsträger gezahlt, so sind die Beiträge, höchstens jedoch der in Satz 1 genannte Betrag, unmittelbar an den Rentenversicherungsträge auszubezahlen. Hat der Antragsteller einen Antrag auf Nachzahlung freiwilliger Beiträge nicht rechtzeitig gestellt, unterbleibt ein Ausgleich.

e)
In der Regel kann davon ausgegangen werden, dass die infolge eines Verdienstausfalles ersparten Beträge an Einkommen- oder Lohnsteuer dem Betrag entsprechen, den der Berechtigte im Hinblick auf die Entschädigungsleistung als Einkommensteuer zu zahlen hat (vgl. §§ 2 Abs. 1 und 4, 24 Nr. 1 Buchst. a Einkommensteuergesetz).

f)
Es besteht allgemein keine Verpflichtung des Landes, den Entschädigungsbetrag vom Zeitpunkt der Entstehung des Schadens bis zur Auszahlung des Entschädigungsbetrages zu verzinsen. Im Einzelfall können jedoch aufgrund besonderer Umstände im Hinblick auf den Zeitablauf Zuschlage zur Entschädigungssumme berechtigt sein (z.B. unter dem Gesichtspunkt des entgangenen Gewinns, wenn der Berechtigte ohne den Verdienstausfall Beträge verzinslich angelegt hatte).

g)
Beauftragt der Berechtigte einen Rechtsanwalt mit der Geltendmachung seiner Ansprüche, so sind die dafür entstandenen Gebühren (vgl. § 118 Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung) als Teil des Vermögensschadens erstattungsfähig.

3.
a)
Entzogen im Sinne des § 11 Abs. 1 und 2 StrEG ist der Unterhalt, wenn ihn der Unterhaltspflichtige infolge der Strafverfolgungsmaßnahmen nicht leisten und der Unterhaltsberechtigte ihn auch nicht nachträglich beanspruchen konnte (vgl. z. B. § 1613 BGB).

b)
Kommen Ansprüche von Unterhaltsberechtigten in Betracht, so widmet die Prüfungsstelle der Gefahr von Doppelzahlungen besondere Aufmerksamkeit. Aus diesem Grund kann es im Einzelfall zweckmäßig sein, den Berechtigten zu einer Erklärung aufzufordern, ob und ggf. in welcher Höhe er im fraglichen Zeitraum anderen Personen zur Unterhaltsleistung verpflichtet war oder gewesen wäre. Im Interesse der Beschleunigung und Vereinfachung ist anzustreben, dass sich die Beteiligten auf eine bestimmte Aufteilung der Gesamtentschädigung einigen oder einen der Beteiligten oder einen Dritten bevollmächtigen, die Gesamtentschädigung mit schuldbefreiender Wirkung für das Land in Empfang zu nehmen (vgl. § 362 Abs. 2 BGB).

c)
Einigen sich die Beteiligten nicht und ist eine Prüfung der Unterhaltsansprüche mit Schwierigkeiten verbunden, verspricht sie kein eindeutiges Ergebnis oder hat eine durchgeführte Prüfung kein eindeutiges Ergebnis gehabt, so kommt die Hinterlegung (vgl. §§ 372 ff.  BGB) des Entschädigungsbetrages in Betracht, soweit er unter den Beteiligten streitig ist und Zweifel an ihrer Berechtigung bestehen.

4.
Die Prüfungsstelle prüft die erheblichen Angaben des Berechtigten nach und stellt erforderlichenfalls über zweifelhafte Punkte Ermittlungen an.  Weicht deren Ergebnis von dem Vorbringen des Berechtigten ab, so wird dieser in der Regel zu hören sein.  Von kleinlichen Beanstandungen wird abgesehen.  Bei den Ermittlungen wird darauf geachtet, dass bei Dritten nicht der Eindruck entsteht, gegen den Berechtigten sei ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren anhängig.

5.
Die Prüfungsstelle berichtet, wenn sie nicht selbst zur Entscheidung über den Anspruch befugt ist, auf dem Dienstwege an die für die Entscheidung zuständige Stelle.  In dem Bericht legt die Prüfungsstelle das Ergebnis ihrer Ermittlungen dar und fügt die einschlägigen Vorgänge bei.  Sie führt insbesondere aus,

a)
ob der Antrag rechtzeitig gestellt worden ist,

b)
ob und in welcher Höhe nach §§ 7, 11 StrEG zu ersetzende Schäden entstanden sind,

c)
ob durch die Leistung der Entschädigung nach § 15 Abs. 2 StrEG Ansprüche auf die Staatskasse übergehen und ob und in welcher Höhe deren Verfolgung voraussichtlich zu einem Ersatz führen wird.

6.
Die Prüfung der geltend gemachten Ansprüche und die Erstattung des Berichts werden möglichst beschleunigt.  Erweisen sich Ermittlungen durch andere Behörden als notwendig, so wird stets auf diese Eilbedürftigkeit hingewiesen.  Über einen nachgewiesenen Teil des Anspruchs kann die Prüfungsstelle vorab berichten.  Sie kann weiter nur über den Anspruch vorab berichten, wenn sie die Ansprüche gegen Dritte noch nicht abschließend geprüft hat.  Die weiteren Ermittlungen dürfen durch dieses Verfahren nicht verzögert werden.

7.
Ist ein immaterieller Schaden zu ersetzen, so ordnet die Prüfungsstelle im Einvernehmen mit der für die Entscheidung zuständigen Stelle insoweit die Auszahlung eines Vorschusses unverzüglich an.

8.
Stellt die Prüfungsstelle fest, dass der Anspruch auf Ersatz des Vermögensschadens ganz oder teilweise begründet ist, so kann sie im Einvernehmen mit der für die Entscheidung zuständigen Stelle in dringenden Fallen die Auszahlung eines Vorschusses anordnen.  Der Vorschuss soll die Hälfte des für begründet erachteten Anspruchs oder Anspruchsteiles nicht übersteigen.

9.
Wird ein Vorschuss gewährt, so werden seine Höhe und der Zeitpunkt der Zahlung in dem Bericht angegeben.


Fassung vor der Änderung durch AV d. JM vom 22.05.2003

Bezug : B. Verfahren zur Feststellung der Höhe des Anspruchs


I. Behandlung des Entschädigungsantrages



1.
Ist die Entscheidung über die Verpflichtung der Staatskasse zur Entschädigung rechtskräftig und wird daraufhin die Zahlung einer Entschädigung beantragt, so legt der Leiter der Staatsanwaltschaft, wenn er nicht selbst mit der Prüfung des Anspruchs betraut ist, der dafür zuständigen Stelle den Antrag unverzüglich mit einem Bericht vor.

2.
In dem Bericht wird ausgeführt,

a)
welche Strafverfolgungsmaßnahmen gegen den Berechtigten vollzogen worden sind,

b)
welche Entscheidung das Gericht über die Entschädigung getroffen hat,

c)
ob der Entschädigungsanspruch rechtzeitig geltend gemacht worden ist,

d)
ob Unterhaltsberechtigte gemäß Abschn.  A III 2 über ihr Antragsrecht belehrt worden sind und ob sie Ansprüche geltend gemacht haben,

e)
ob aus dem Strafverfahren Umstände bekannt sind, die für die Bearbeitung des Entschädigungsanspruchs wesentlich sein können,

f)
ob Anlass zu der Annahme besteht, dass der Berechtigte Ansprüche gegen Dritte hat, die im Falle einer Entschädigung auf das Land übergehen (vgl. § 15 Abs. 2 StrEG).

Dem Bericht werden die Strafakten, soweit tunlich, beigefügt. Andernfalls werden sie unverzüglich nachgereicht. Sofern die Strafakten nicht alsbald entbehrlich sind, sind dem Bericht beglaubigte Abschriften der zu a) und b) in Betracht kommenden Unterlagen beizufügen.

3.
Werden in dem Anspruchsschreiben gleichzeitig Ansprüche auf Erstattung von Auslagen aus dem Strafverfahren geltend gemacht, so wird eine beglaubigte Abschrift des Anspruchsschreibens zu den Strafakten genommen und veranlasst, dass der Anspruch auf Auslagenerstattung getrennt bearbeitet wird.  Der Berechtigte wird hiervon unterrichtet.


Fassung vor der Änderung durch AV d. JM vom 16.07.2002 (4221 - III A. 12)

Bezug : Teil II Ziffer 3


... 3.
... bb)
wenn sie eine Entschädigung von nicht mehr als 25.000 EURO (bis zum 31.12.2001: 50.000 DM) zuerkennen und nicht der Generalbundesanwalt in der Strafsache, die der Entschädigung zugrunde liegt, Ermittlungen geführt hat.

b)
Im übrigen ist mir zu berichten. Außerdem ist mir abweichend  von 1. auch dann zu berichten

aa)
wenn die Rechtslage zweifelhaft ist und von der Entscheidung der Zweifelsfrage ein Entschädigungs-(teil)betrag von nicht unbedeutender Höhe abhängt,

bb)
wenn es sich um eine Angelegenheit von grundsätzlicher Bedeutung handelt, insbesondere sofern Anlass zu Maßnahmen zum Zwecke der Herbeiführung einer einheitlichen Entschädigungspraxis gegeben sein kann.