Justizverwaltungsvorschriften
Stundung, Niederschlagung und Erlass von Kosten im Bereich der Justiz
RV d. JM vom 2. Dezember 2014 (5602 - Z. 24)
in der Fassung vom 2. Februar 2024
Die Zuständigkeit zur Stundung, zur Niederschlagung und zum Erlass von Gerichtskosten und sonstigen Ansprüchen nach § 123 Absatz 1 des Justizgesetzes Nordrhein-Westfalen (JustG NRW) vom 26. Januar 2010 (SGV. NRW. 304), bestimmt sich nach der Verordnung zur Übertragung von Befugnissen nach § 123 des Justizgesetzes Nordrhein-Westfalen vom 24. August 2012 (GV. NRW. S. 384) und nach §§ 45, 46 der Gnadenordnung. Zur Durchführung wird Folgendes bestimmt:
1 Stundung und Niederschlagung
1.1
Die Zuständigkeit nach § 1 der Verordnung zur Übertragung von Befugnissen nach § 123 des Justizgesetzes Nordrhein-Westfalen vom 24. August 2012 besteht unabhängig davon, ob die Forderungen der für die Vollstreckung von Justizkostenforderungen zuständigen Stelle (Vollstreckungsbehörde) zur Einziehung überwiesen worden sind. Kann eine Überweisung zur Einziehung ausnahmsweise nicht erfolgen, sind der mit Vollstreckungsaufgaben betrauten Vollstreckungsbehörde die erforderlichen Angaben entsprechend § 24 KostVfg mitzuteilen.
1.2
Für die Stundung der vorgenannten Ansprüche sind die Bestimmungen der Nr. 3 der Anlage 3 zu Nr. 5.2 VV zu § 79 LHO sowie die Nrn. 1 bis 1.5.3 VV zu § 59 LHO mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass
1.2.1
Stundung ohne Antrag von Amts wegen, gegebenenfalls auch ohne Sicherheitsleistung, gewährt werden kann,
1.2.2
von der nach Nr. 1.3 VV zu § 59 LHO erforderlichen Bestimmung über die Fälligkeit der Restforderung abgesehen werden kann und
1.2.3
Stundungszinsen nicht erhoben werden.
1.3
Für die Niederschlagung der vorgenannten Ansprüche gelten die Bestimmungen der Nr. 8 und 9 der Anlage 3 zu Nr. 5.2 VV zu § 79 LHO sowie die Nr. 2 VV zu § 59 LHO.
2 Erlass
2.1
Der Erlass ist eine Maßnahme, mit der auf einen fälligen Anspruch verzichtet wird. Durch den Erlass erlischt der Anspruch.
2.2
Zuständig für den Erlass von Beträgen bis zu 15.000 Euro ist die Präsidentin oder der Präsident des Landgerichts oder Amtsgerichts, in deren oder dessen Bezirk der Anspruch entstanden ist oder das diesem zugrunde liegende Verfahren in erster Instanz anhängig war. Zuständig für den Erlass von Beträgen bis zu 30.000 Euro sowie für den Erlass von Kosten eines Verfahrens, das erstinstanzlich bei dem Oberlandesgericht anhängig war, ist die Präsidentin oder der Präsident des Oberlandesgerichts. Zuständig für den Erlass von Beträgen bis zu 30.000 Euro aus dem Justizvollzug ist die Leiterin oder der Leiter der Justizvollzugsanstalt. Bei Beträgen darüber hinaus ist das Justizministerium zuständig.
2.3
Erlassanträge sind zunächst unabhängig von der Höhe des Anspruchs zu bearbeiten
2.3.1
in den Fällen der Nr. 2.2 Sätze 1 und 2 von der Präsidentin oder dem Präsidenten des Landgerichts (Amtsgerichts), bei Anträgen auf Erlass der bei einer Schwerpunktstaatsanwaltschaft angesetzten Gerichtskosten von der Präsidentin oder dem Präsidenten des Landgerichts am Sitz der Schwerpunktstaatsanwaltschaft,
2.3.2
bei Beschwerden gegen eine nach Nr. 2.3.1 getroffene Entscheidung sowie für den Erlass von Kosten eines Verfahrens, das erstinstanzlich bei dem Oberlandesgericht anhängig war, von der Präsidentin oder dem Präsidenten des Oberlandesgerichts,
2.3.3
in den Fällen der Nr. 2.2 Satz 3 von der Leiterin oder dem Leiter der Justizvollzugsanstalt.
2.4
Die nach Nr. 2.2 zuständigen Stellen sind befugt:
2.4.1
den Antrag unabhängig von der Höhe des Anspruchs abzulehnen,
2.4.2
Forderungen innerhalb der Grenzen der Nr. 2.2 zu erlassen,
2.4.3
über den Antrag auf andere Weise zu entscheiden (z.B. durch Stundung, Einräumung von Teilzahlungen, in Justizverwaltungsangelegenheiten durch Gebührenermäßigung oder Abstandnahme von der Kostenerhebung nach § 10 JVKostG).
2.5
Sind die Voraussetzungen für einen Erlass ersichtlich nicht gegeben, kann der Antrag auch an die nach Nr. 1.1 zuständige Vollstreckungsbehörde abgegeben werden, wenn Zahlungserleichterungen in Betracht kommen.
2.6 Bearbeitungshinweise
2.6.1
Schlechte wirtschaftliche Verhältnisse rechtfertigen regelmäßig keinen Erlass, da durch die Schuldnerschutzvorschriften der ZPO sichergestellt ist, dass der Schuldnerin oder dem Schuldner der notwendige Lebensunterhalt verbleibt. Ist eine Forderung nicht einziehbar, so ist grundsätzlich kein Erlass auszusprechen. Ist eine solche Forderung bereits der Vollstreckungsbehörde zur Einziehung überwiesen, hat diese nach den Bestimmungen der Nrn. 8 und 9 der Anlage 3 zu Nr. 5.2 VV zu § 79 LHO über die Niederschlagung zu entscheiden. Bei Forderungen, die noch nicht zum Soll stehen, ist vom Kostenansatz abzusehen (§ 10 KostVfg). Die Antragstellerin oder der Antragsteller ist zu benachrichtigen.
2.6.2
Ausnahmsweise kann in begründeten Einzelfällen trotz Nichteinziehbarkeit der Forderung ein Erlass ausgesprochen werden (z.B. bei einem Teilzahlungsangebot durch Dritte Zug um Zug gegen Erlass der Restforderung). Ferner ist ein Erlass auch zulässig, wenn der Anspruch im Zeitpunkt der Entscheidung zwar nicht einziehbar ist, im Fall der Einziehbarkeit aber die Voraussetzungen für einen Erlass erfüllt wären.
2.6.3
Bei der Bearbeitung von Erlassanträgen ist zunächst zu prüfen, ob die Zwangsvollstreckung eingestellt werden soll, um Härten für die oder den Zahlungspflichtigen zu vermeiden.
2.6.4
Der Kostenansatz ist in jedem Fall nachzuprüfen und ggf. zu berichtigen.
2.6.5
Wenn die Kostenschuldnerin oder der Kostenschuldner geltend macht, dass die Einziehung mit besonderen Härten für sie oder ihn verbunden sei, ist bei der Bearbeitung des Antrags Folgendes zu beachten:
2.6.5.1
Es ist stets zu prüfen, ob die Kostenschuldnerin oder der Kostenschuldner nicht wenigstens einen Teil der Schuld bezahlen kann.
2.6.5.2
Die Kostenschuldnerin oder der Kostenschuldner hat die Angaben über ihre oder seine wirtschaftlichen Verhältnisse, soweit möglich, durch Vorlage entsprechender Belege nachzuweisen.
2.6.5.3
Die Erstattung bereits entrichteter Beträge muss als Ausnahme von dem allgemeinen haushaltsrechtlichen Verbot derartiger Rückzahlungen besonders streng gehandhabt werden. Die Einziehung der Kosten muss zur Zeit der Zahlung eine besondere Härte gewesen sein. Verschlechtert sich die wirtschaftliche Lage der Kostenschuldnerin oder des Kostenschuldners nachträglich, rechtfertigt dies eine Erstattung nicht.
2.6.5.4
Haften weitere Personen für die Kosten, ist lediglich die Antragstellerin oder der Antragsteller von der Haftung für die Kosten zu befreien, wenn nicht die Kostenschuld mit Wirkung für alle Schuldner erlassen werden soll.
2.6.5.5
Fehlbeträge, die vom Landesrechnungshof festgestellt worden sind, dürfen nur nach dessen Anhörung erlassen werden.
2.6.6
Hält die Präsidentin oder der Präsident des Landgerichts (Amtsgerichts) bei Beträgen über 15.000 Euro die Voraussetzungen für einen Kostenerlass für gegeben, berichtet sie oder er bei Beträgen bis zu 30.000 Euro an die Präsidentin oder den Präsidenten des Oberlandesgerichts, bei höheren Beträgen über die Präsidentin oder den Präsidenten des Oberlandesgerichts an das Justizministerium; anderenfalls ist sie oder er ermächtigt, über das Gesuch nach eigenem Ermessen zu bescheiden. Satz 1 gilt für die Leiterin oder den Leiter der Justizvollzugsanstalt bei Beträgen über 30.000 Euro entsprechend.
2.6.7
Die nach Nr. 2.6.6 zu erstattenden Berichte sollen insbesondere folgende Angaben enthalten:
2.6.7.1
Bezeichnung der Sache, Aktenzeichen und Kassenzeichen, Gang und Ergebnis des Verfahrens in den einzelnen Instanzen; in Strafsachen außerdem Angaben über den Sachverhalt, über Vorstrafen, etwaige Gnadenerweise und die Stelle, die sie ausgesprochen hat, sowie deren Aktenzeichen;
2.6.7.2
Höhe der ursprünglichen Kostenschuld, getrennt nach Gebühren, durchlaufenden Geldern (mit Angabe der oder des Empfangsberechtigten) und Auslagen, ferner etwaige Beitreibungskosten;
2.6.7.3
persönliche Verhältnisse der Kostenschuldnerin oder des Kostenschuldners, ihre oder seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse, etwaige sonstige Zahlungsverpflichtungen und Umstände, die ihre oder seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit beeinflussen;
2.6.7.4
Verlauf und derzeitiger Stand des Einziehungsverfahrens; bei Mithaftung weiterer Kostenschuldner auch Stand des Einziehungsverfahrens gegen die Mithaftenden;
2.6.7.5
in Strafsachen Stand der Strafvollstreckung und Bewilligung einer Bewährungsfrist mit Angabe des Endzeitpunktes.
2.7
Die berichtende Stelle hat ihre Stellungnahme zu dem Antrag kurz zu begründen. Ferner ist anzugeben, ob die Zwangsvollstreckung eingestellt und der Kostenansatz überprüft worden ist. Soweit die nach Nr. 2.6.7 geforderten Angaben bereits in den Berichten anderer Stellen enthalten sind, kann darauf Bezug genommen werden. In geeigneten Fällen soll die Ermächtigung zu einer bestimmten Maßnahme erbeten werden.
2.8
Entscheidungen nach den vorstehenden Bestimmungen erstrecken sich nicht auf Kosten, die beim Bundesgerichtshof entstanden sind.
2.9
Die vorstehenden Bestimmungen sind auch auf die Kosten des Insolvenzverfahrens und des Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsverfahrens (Fn 1) anzuwenden.
3 Abgabe von Erklärungen im Rahmen von Verfahren nach der Insolvenzordnung und des Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetzes (Fn 1)
3.1
Die Leiterin oder der Leiter der Vollstreckungsbehörde ist hinsichtlich der Forderungen nach § 123 Absatz 1 des Justizgesetzes Nordrhein-Westfalen auch für die Stellung von Anträgen und die Abgabe von Erklärungen in Insolvenz- und Schuldenbereinigungsverfahren sowie in Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsverfahren (Fn 1) zuständig, soweit die Landeskasse beteiligt ist. Die Zuständigkeit besteht unabhängig davon, ob die Forderungen der Vollstreckungsbehörde zur Einziehung überwiesen worden sind.
3.2
Nach Eingang eines entsprechenden Schuldnerantrags im Rahmen des außergerichtlichen Verfahrens, eines Planangebots, eines Sanierungsvergleichs oder der gerichtlichen Aufforderung zur Stellungnahme bzw. im Vorfeld der gerichtlichen Planabstimmung ist zu prüfen, ob (Fn 1)
3.2.1
die Zwangsvollstreckung zur Vermeidung von Härten einzustellen ist;
3.2.2
weitere Personen zur Zahlung der Kosten oder von Teilbeträgen hiervon in Anspruch genommen werden können. Insoweit ist ggf. das Erforderliche zu veranlassen.
3.3
Ferner ist, sofern die vom Gericht gesetzte Frist dies zulässt, die Nachprüfung und ggf. Berichtigung des Kostenansatzes zu veranlassen. Zur Entlastung des Insolvenzgerichts ist immer eine Erklärung abzugeben. Eine zustimmende Erklärung soll abgegeben werden, wenn nach ernsthafter Prüfung des schuldnerischen Angebots bzw. des Schuldenbereinigungs-/Insolvenz-/Restrukturierungsplans bzw. des Sanierungsvergleichs eine Ablehnung voraussichtlich nicht zu einem günstigeren Ergebnis für die Landeskasse führt. (Fn 1)
4 Fachgerichtsbarkeiten
Die vorstehenden Regelungen gelten für die Bereiche der Verwaltungsgerichtsbarkeit, der Sozialgerichtsbarkeit, der Arbeitsgerichtsbarkeit und für die Finanzgerichtsbarkeit entsprechend.
An die Stelle der Präsidentin oder des Präsidenten des Landgerichts (Amtsgerichts) treten die Präsidentin oder der Präsident des Verwaltungsgerichts und die Präsidentin oder der Präsident des Sozialgerichts. An die Stelle der Präsidentin oder des Präsidenten des Oberlandesgerichts treten die Präsidentin oder der Präsident des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, die Präsidentin oder der Präsident des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen, die Präsidentin oder der Präsident des Landesarbeitsgerichts und die Präsidentin oder der Präsident des Finanzgerichts.
5 Inkrafttreten
Diese RV tritt am 15. Dezember 2014 in Kraft. Gleichzeitig wird die RV d. JM vom 15. August 1999 (5602 - I B. 24) aufgehoben.
Fußnoten :
Fn1: Geändert durch RV d. JM vom 2. Februar 2024. Diese RV tritt sofortiger Wirkung in Kraft.