Justizverwaltungsvorschriften
Richtlinien für die Integrationsbeauftragten
in den Justizvollzugsanstalten
des Landes Nordrhein-Westfalen
RV d. JM vom 08.06.2018 (4453 - IV. 12)
in der Fassung vom 27. Januar 2025
1. Zielsetzung
Der hohe Anteil ausländischer Inhaftierter in den Gefängnissen des Landes stellt den Justizvollzug in Nordrhein-Westfalen vor besondere Herausforderungen. Neben sprachlichen Verständigungsschwierigkeiten führen vor allem auch kulturelle Unterschiede zu Missverständnissen und Spannungen. Die unterschiedlichen kulturellen Erfahrungen und Prägungen machen eine aktive Vermittlung von Verhaltensregeln für das Zusammenleben im Vollzug notwendig. Darüber hinaus ist die Vermittlung des uneingeschränkten Geltungsanspruchs unserer Rechtsordnung eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Integration in die deutsche Gesellschaft nach der Entlassung aus der Haft. Vor diesem Hintergrund wurden in den Justizvollzugsanstalten des Landes Integrationsbeauftragte bestellt, die im Sinne von Prävention und Deradikalisierung tätig werden. Ziel der Integrationsarbeit ist es, den Ursprung vorhandener Spannungen zu identifizieren und mit gezielten Angeboten zur Entschärfung beizutragen, gelingende Integrationsarbeit stärkt somit die Sicherheit und Ordnung der Justizvollzugsanstalten. (Fn 1)
2. Aufgaben der Integrationsbeauftragten
2.1
Die Integrationsbeauftragten fördern die Integration ausländischer Inhaftierter und tragen damit zur Stärkung eines sicheren Strafvollzuges bei. Die Unterstützungsmaßnahmen zielen zum einen darauf hin, die Integration der Inhaftierten (Fn 1) in den Haftalltag zu verbessern und damit ein spannungsfreies Zusammenleben zu fördern. Zudem verfolgen sie das Ziel, die Integration der Inhaftierten (Fn 1) in die Gesellschaft nach ihrer Entlassung aus dem Justizvollzug zu erleichtern. Inhaftierte (Fn 1), die von sich aus kein Interesse an einer Integration zeigen, sind zur Teilnahme an Maßnahmen zur Verbesserung ihrer Integration zu motivieren.
2.2 (Fn 1)
Zu den Aufgaben der Integrationsbeauftragten gehören im Wesentlichen:
Organisatorische Aufgaben
- Koordination der Integrationsarbeit in der Justizvollzugsanstalt
- Sicherstellung der sprachlichen Verständigung durch die Organisation von Dolmetscher- und Übersetzungsleistung
- Zusammenarbeit mit den Anstaltsgeistlichen in der Arbeit mit Vertretern anderer Religionen und Kirchen sowie Kooperation mit dem Fachbereich Radikalisierungsprävention
- Errichtung und Pflege von Netzwerken mit lokalen / regionalen Trägern von Integrations- und Migrationsarbeit sowie Behörden (örtliche Ausländerbehörden, etc.), Konsulaten und Botschaften
- Vernetzung der Integrationsbeauftragten untereinander sowie mit dem Fachbereich Sozialdienst im Justizvollzug
- Bereitstellen von Informationen für alle dort beschäftigten Bediensteten
- Überprüfung und Weiterentwicklung der Anstaltsstrukturen in Hinblick auf die Möglichkeit der Partizipation ausländischer Inhaftierter
- Weiterentwicklung des anstaltsbezogenen Konzepts zur Integration von ausländischen Inhaftierten auf der Basis des anstaltsspezifischen Bedarfs
- Entwicklung von Konzepten für Gruppenangebote im Bereich der Integration und eigenständige Durchführung bzw. Akquise externer Anbieter
- Entwicklung und Leitung anstaltsinterner Arbeitsgruppen zu Fragen der Integration
- Teilnahme an internen und externen Arbeitskreisen
- Beratung bei der Beschaffung von fremdsprachiger Literatur sowie Selbstlernmaterial
- Dokumentation der Tätigkeit in SoPart ® und BASIS-Web
- Zur Verbesserung der Übergänge aus der Haft heraus enge Zusammenarbeit mit dem strukturierten Übergangsmanagement
Aufgaben in der Arbeit mit (ausländischen) Inhaftierten
- Unterstützung ausländischer Inhaftierter bei der Integration in den Haftalltag
- Betreuung von ausländischen Inhaftierten in Einzel- und Ausnahmefällen
- Planung, Durchführung und Organisation nationalitätsunabhängiger Gruppenangebote für einen gelingenden wechselseitigen Integrationsprozess (z.B. Werte und Normen, Modelle gesellschaftlicher Umgangsformen)
- Förderung der Motivation zur Teilnahme und Mitarbeit an Integrationsangeboten
Aufgaben in der Arbeit mit Bediensteten
- Krisenintervention bei kulturellen Konflikten
- Durchführung von (eigenen) Aus- und Fortbildungsveranstaltungen und deren Organisation
- Vernetzung mit den Extremismus- und Präventionsbeauftragten in der eigenen Vollzugseinrichtung
- Interkulturelle Beratung und Sensibilisierung für die Belange ausländischer Inhaftierter
- Unterstützung und Beratung der Anstaltsleitung
- Beschäftigten- bzw. Anwärterunterricht nach Absprache und in Zusammenarbeit mit der Ausbildungs-/Praxisanleitung
- Unterstützung und Beratung der Bediensteten bei Sprachbarrieren
- Hilfestellung und Unterstützung bei der Entlassungsvorbereitung ausländischer Inhaftierter in die Freiheit
3. Koordinierungsstelle beim Fachbereich Sozialdienst
Beim Fachbereich Sozialdienst im Justizvollzug Nordrhein-Westfalen ist eine Koordinierungsstelle für die Integrationsbeauftragten eingerichtet. Die Koordinierungsstelle unterstützt und berät die (Fn 1) Integrationsbeauftragten. Sie wirkt, soweit fachlich angezeigt, auf eine Vereinheitlichung und/oder eine anstaltsübergreifende Steuerung hin.
Zu den Aufgaben der Koordinierungsstelle gehören im Wesentlichen:
-
Unterstützung der Integrationsbeauftragten bei der Erstellung und Weiterentwicklung der anstaltsbezogenen Konzeptionen für die Integrationsarbeit
-
Einberufung und Begleitung regionaler und themenspezifischer Arbeitsgruppen der Integrationsbeauftragten (Fn 1)
-
Beratung und Unterstützung der Anstalten bei der Gewinnung externer Leistungsträger
-
Transfer von best-practice in alle Anstalten (Synergieeffekte)
-
Vorbereitung von übergreifenden Abstimmungen z.B. zum Thema Aufenthaltsstatus mit dem Ministerium der Justiz, dem Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration, dem Ministerium des Innern und anderen Akteuren
-
Vernetzung mit den Spitzenverbänden der freien und öffentlichen Wohlfahrtspflege
-
Kontakt und Zusammenarbeit mit externen Einrichtungen wie z.B. dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge oder konsularischen Vertretungen in Grundsatzangelegenheiten
-
Bereitstellung und Pflege einer IT-gestützten Informationsplattform in Kooperation mit der Justizakademie des Landes NRW
-
Feststellung des Fortbildungsbedarfs für die Integrationsbeauftragten und Mitwirkung bei der Bedarfsmeldung gegenüber der Justizakademie des Landes NRW
Für den Kreis der Integrationsbeauftragten finden regelmäßig - mindestens einmal jährlich - Dienstbesprechungen unter Leitung der Koordinierungsstelle statt.
4. Organisation
4.1
Jede Justizvollzugsanstalt verfügt über mindestens eine Integrationsbeauftragte bzw. einen Integrationsbeauftragten.
Die als Integrationsbeauftragte benannten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden in vollem Umfang der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit als Integrationsbeauftragte eingesetzt. Diese Bediensteten müssen die Bereitschaft mitbringen, sich interkulturelle Kenntnisse und Kompetenzen anzueignen und anzuwenden. (Fn 1) Wurden die Aufgaben der bzw. des Integrationsbeauftragten mehreren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit einem festgelegten Anteil ihrer Arbeitszeit übertragen, so sind diese jeweils zu diesem Anteil der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit als Integrationsbeauftragte tätig.
Als Integrationsbeauftragte werden Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen sowie Bedienstete des allgemeinen Vollzugsdienstes benannt. Darüber hinaus können auch Bedienstete anderer Berufsgruppen / Beschäftigte, die über besondere Erfahrungen in der Arbeit mit Menschen mit Migrationshintergrund verfügen, die Aufgaben der Integrationsbeauftragten wahrnehmen.
Die Funktion der/des Integrationsbeauftragten wird im Geschäftsverteilungsplan der Justizvollzugsanstalt ausgewiesen. Die fachliche Leitung der Integrationsbeauftragten obliegt in der Regel der Leitung des Sozialdienstes.
4.2
Die Dienstzeit der Integrationsbeauftragten aus dem Allgemeinen Vollzugsdienst orientiert sich grundsätzlich an den Dienstzeiten der Fachdienste. Schicht- und Wochenenddienste sollen nach Möglichkeit nur vorgesehen werden, wenn sie zugleich der Integrationsarbeit dienen. Hinsichtlich des Tragens von Zivilkleidung während des Dienstes findet Nr. 1.3 der Dienstkleidungsvorschrift (AV d. JM vom 13.04.2012, 2044 - IV.19) uneingeschränkte Anwendung.
5. Zusammenarbeit
Die Integrationsbeauftragten der Justizvollzugsanstalten arbeiten eng zusammen. Sie gewährleisten den Informationsaustausch und stimmen ihre Vorgehensweisen in der Betreuung ausländischer Inhaftierter (Fn 1) - auch im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit externen Trägern und Organisationen - ab. Ihren Aufgaben entsprechend arbeiten sie außerdem mit externen Einrichtungen wie z.B. örtlichen Ausländerbehörden, konsularischen Vertretungen und anderen relevanten Einrichtungen zusammen.
6. Fortbildung
Die Integrationsbeauftragten nehmen an aufgabenspezifischen Fortbildungsmaßnahmen teil. Die Integrationsbeauftragten geben als Multiplikatorinnen und Multiplikatoren das in den Schulungen erworbene Wissen an die Bediensteten ihrer jeweiligen Justizvollzugsanstalt weiter, etwa im Rahmen von Inhouse-Veranstaltungen und ggf. unter Einbeziehung externer Fachkräfte. Die Integrationsbeauftragten erhalten Gelegenheit zur Supervision.
Fußnoten :
Fn1: Geändert durch RV vom 27. Januar 2025 (4453 – IV. 12). Die Änderungen treten am Tag nach der Veröffentlichung in Kraft.